Einsteiger für Aufsteiger: 60 Jahre VW Typ 3.


Er war der Käfer im Sonntagsanzug, den man italienisch-elegant auf Maß geschneidert und gleichzeitig schnörkellos glatt gebügelt hatte. Die Rede ist – natürlich – vom Volkswagen Typ 3, bekannt auch als „Fünfzehnhunderter“ oder „Sechzehnhunderter“, je nach Motorisierung. Aber der Reihe nach. Erst einmal: herzlichen Glückwunsch, Typ 3! Zu 60 Jahren Dienst am Liebhaber klassischer Linien.

Ja, so lange ist es tatsächlich schon her, dass die neue Mittelklasse von Volkswagen auf der IAA 1961 in Frankfurt präsentiert wurde. Man ließ nicht nach in Wolfsburg: Nach der Aufbau- und Konsolidierungsphase während der 1950er Jahre brachte Volkswagen gleich zu Beginn der eleganten Sechziger den schicken Typ 3. Seine Bezeichnung war dabei so Volkswagen typisch sachlich wie seine Erscheinung pures Understatement. Ganz nach dem Motto: Mit einem Volkswagen stellen sich keine Fragen. Und mit einem Typ 3 erst recht nicht, denn er war bereits die vorweggenommene Antwort: Ich bin zeitgemäß, ich bin solide und verlässlich – ich bin ein Volkswagen der neuen Klasse. Der Mittelklasse.

Und die war tatsächlich neu bei Volkswagen. Hatte sich die Wolfsburger Modell-Rangfolge bisher auf den Standard-Käfer und dessen Export-Version beschränkt, durchbrach der Typ 3 mit seinem 1,5-Liter-Heckboxermotor schnatternd die Grenze zu als gediegen empfundenen Gefilden. 

Dass er dabei technisch auf der Käfer-Plattform basierte, dessen Radstand von 2,40 Metern übernahm und nur 16 Zentimeter länger war, fällt bis heute nicht auf. Flacher, flüssiger, gestreckter wirkt der Typ 3. Der zumal mit 45 PS stärker motorisiert war als der Käfer und einen stattlichen vorderen Kofferraum aufweisen konnte – und noch einen zweiten im Heck über dem zum Flachboxer umkonstruierten Käfer-Triebwerk. Damit stach der Typ 3 all diejenigen Kritiker aus, die bis dato am zu geringen Raumvolumen des Volkswagen Anstoß genommen hatten. Beim Motor selbst hatte man das bisher aufrecht stehende Lüftergebläse liegend vor der Kurbelwelle platziert. Auch der Ölkühler musste umziehen, zusammen reduzierte dies die Bauhöhe des Aggregats um rund ein Drittel auf 42 Zentimeter. Zudem war – erstmals bei Volkswagen – für 585 D-Mark Aufpreis eine elektronisch gesteuerte Einspritzanlage („D-Jetronic“) von Bosch erhältlich. Voilà!

Im Innenraum dominierte die harmonisch geschwungene Armaturentafel mit drei nebeneinander platzierten Rundinstrumenten, deren obere Hälfte mit genarbtem schwarzen Kunststoff verkleidet war. Das Unterteil bestand aus Blech und war stets in der Farbe der Außenlackierung gehalten, was einen reizvollen, unaufdringlich-eleganten Touch ergab. Farbig abgestimmte Polster und Türverkleidungen vervollständigten das harmonische Gesamtbild. Aufgrund seiner soliden Konstruktion und Bauweise verlieh der Volksmund dem Typ 3 bald den Namen „Geldschrank-Auto“. 

Mit dem Volkswagen 1500 bewegte man sich völlig unauffällig, aber technisch wie optisch angemessen durch die bundesdeutsche Autolandschaft. Beides war gewollt.

Kombinationskraftwagen: Und dann kam bereits 1962 der Kombi, kurz für „Kombinationskraftwagen“, bei Volkswagen seitdem „Variant“ genannt. Dem ebenso klassisch gezeichneten Variant verdanken sämtliche Nachfahren dieser Bauform eine ganz besondere Pionierleistung: Der 1500 Variant machte den Kombi als Pkw-Spielart salonfähig und brach dessen tradierte Rolle des typischen „Handwerker-Autos“ auf. Familien freuten sich über die große Heckklappe für Kind und Kegel und den – wiederum dank Flachboxer – ebenen riesigen Laderaum nebst umlegbarer Rücksitzbank. 

1963 kam dann der 1500 S mit zwei Vergasern und 54 PS. 1965 folgten der auf 1.600 ccm vergrößerte Motor sowie das formale Topping der Typ 3 Baureihe – das formschöne Fließheck namens 1600 TL (Touren-Limousine). Der TL nahm die Formgebung seines ab 1973 so erfolgreichen Nachfolgers Passat vorweg, freilich ohne über dessen praktische große Heckklappe zu verfügen. Was wohl der Grund dafür gewesen sein mag, dass die Verkaufszahlen des Typ 3 nicht vom TL angeführt wurden, sondern vom Variant. Auf diesen entfiel rund die Hälfte aller bis Sommer 1973 gebauten 2.584.904 Typ 3.

1968 zog Volkswagen dem Typ 3 „die Nase lang“, verlängerte also dessen Vorderwagen, erhöhte die vorderen Hauben und montierte massive Chromstoßfänger, umgangssprachlich auch „Eisenbahnschienen“ genannt, sowie deutlich vergrößerte Blink- und Heckleuchten. Seitdem unterteilen Kenner und Liebhaber den Typ 3 liebevoll in „Kurz- und Langschnauzer“. In dieser Form ging der Typ 3 schließlich in den Ruhestand. Von der Mittelklasse, deren Erscheinungsbild er zwölf Jahre lang mitgeprägt hatte, reifte er zum klassenlosen Klassiker. 

Und heute, mit 60 Jahren? Erspart uns der Typ 3 schon wegen seiner Formgebung die Peinlichkeit, wie ein im Chrom-Überfluss peinlich ergrauter Jubilar zu wirken. Er bleibt als Automobil das, was er ist: Haute Couture für auf dem Schlingenteppich Gebliebene. 

 

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Bildnachweis: Volkswagen AG

Rückkehr ins Rampenlicht – Die Restauration eines Typ 3 Cabriolet Prototyps


Damit hatte wohl niemand gerechnet: Die Bestandsaufnahme bei der Übernahme der Fahrzeugsammlung von Karmann in Osnabrück fördert einen wahren Schatz der Volkswagen Automobil-Geschichte zu Tage – eines von zwei verbliebenen Prototypen des Volkswagen Typ 3 Cabriolet von 1961. Dass diese Rarität erhalten werden muss, steht für Volkswagen Classic außer Frage. Und so nimmt sich Klaus-Dieter Ulrich, Koordinator der Automobilsammlung Volkswagen Osnabrück, in Zusammenarbeit mit erfahrenen Restaurateuren voller Eifer der Wiederherstellung des seltenen Cabriolets an.

Das Volkswagen 1500 Cabriolet war als 4- bis 5-Sitzer konzipiert und besticht auch heute noch durch sein – trotz großer Panorama-Heckscheibe – vollständig versenkbares Verdeck.

Mittelklasse-Cabriolet: ein Konzept, das seiner Zeit voraus war

Platz für vier bis fünf Personen, eine zeitlos elegant gestreckte Silhouette und ein vollständig versenkbares Verdeck mit ungewöhnlich großer Heckscheibe: Die offene Version des Volkswagen 1500 (Typ 35) sorgte 1961 auf der 40. IAA für großes Aufsehen. Allerdings nicht nur, weil es Volkswagen schaffte, den Prototyp bis zur Präsentation tatsächlich geheim zu halten, sondern weil vor allem das Konzept überzeugte: Dank üppigen Platzangebots sollte das Typ 3 Cabriolet nicht nur die Urlaubsreise mit der Familie komfortabler machen. Mit seiner aufwendigen Verdeck-Konstruktion brachte das elegante Cabriolet vor allem bezahlbaren Luxus in die Mittelklasse. Es war die gelungene Symbiose bewährter, weiter verfeinerter Volkswagen Technik und unerreichter Karmann-Expertise im Verdeck-Bau. Warum das Cabriolet nie in Serie ging, bleibt bis heute ein Geheimnis.

Eines der beiden verbliebenen Typ 3 Cabriolet bewährte sich jahrelang als Alltagswagen des ehemaligen Karmann-Entwicklungs-Chefs.

Chef-Entwicklers Liebling

Rund ein Dutzend Prototyp-Karossen verließen damals das Werk des Osnabrücker Cabrio-Spezialisten Karmann. Doch nur zwei Exemplare überstanden die folgenden vier Jahrzehnte. Wie sich bei der Prüfung der Fahrgestellnummer herausstellt, ist dieser Prototyp jedoch ein ganz besonderes Exemplar – mit erstaunlich ausgereiften Alltagsqualitäten: Es handelt sich um den Dienstwagen des damaligen Karmann-Entwicklungs-Chefs Johannes Beeskow, seinerzeit zugelassen mit dem Kennzeichen OS-KA 77. Nach der Erprobungsphase bewegte Beeskow den Wagen im Osnabrücker Alltagsverkehr. Nach der Abmeldung des Cabriolets im Jahre 1969 ging der Prototyp in die Sammlung von Karmann über.

Die Seitenschweller wurden für den Prototyp speziell gefertigt. Die durch den Rost zerfressenen Teile konnten nicht einfach ersetzt, sondern mussten aufwendig nachgebildet werden.

Proto-typisch: In 40 Jahren Tiefschlaf nagt der Zahn der Zeit

Der jahrzehntelange Stillstand ging an der schlafenden Schönheit nicht spurlos vorbei, was sich vor allem an typisch anfälligen Karosserieteilen offenbart. Volkswagen Classic und Klaus-Dieter Ulrich koordinieren die Restauration in Zusammenarbeit mit einem Classic Competence Center. Besser erhaltene Partien der Karosse können die Restaurateure strahlen, um Lack und Rost schonend zu entfernen. Die Seitenschweller hingegen wurden komplett nachgebildet: „Kotflügel oder Haube wären ersetzbar, die vom Rost zerfressenen inneren Schweller mussten jedoch in akribischer Detail-Arbeit nachgebildet werden. Da steckt richtig viel Handarbeit drin“, erklärt Ulrich.

Aus der Not eine Tugend gemacht

Ziel einer Restauration ist meistens die Erhaltung des Originals, auch wenn der Austausch durch Neuteile zweifelsohne einfacher wäre. Diese Frage stellt sich den Restaurateuren im Falle des Typ 3 Cabriolet allerdings nicht, denn viele Teile des Prototyps sind niemals in Serie gegangen. Das Team muss einen Großteil der Komponenten erhalten, vor allem das Verdeck und seine Mechanik verlangt den Restaurateuren des Classic Competence Centers ihre ganze Expertise ab: Die einzigartige Karmann-Mechanik war für einen Wagen der 1960er-Jahre sehr kompliziert, die Panorama-Heckscheibe ungewöhnlich groß. Die Mühe hat sich gelohnt: „Das Verdeck funktioniert heute genauso wie zu seiner Präsentation auf der IAA 1961″, bestätigen die Experten von Volkswagen Classic.

Elektrik, Motor und Getriebe wurden ebenso grundlegend überholt wie das gesamte Fahrwerk des Typ 3 Cabriolet.

Chrom ist das neue Gold

Es werden keine Mühen gescheut: Motor und Getriebe werden im Rahmen der Restauration komplett zerlegt und wiederaufgearbeitet. Den gleichen Aufwand betreibt das Classic Competence Center auch bei sämtlichen Fahrwerksteilen des Typ 35 mit viel Liebe zum Detail: Achsen, Bremsen, Lenkgetriebe – alles wird akribisch überholt. Dabei lässt das erfahrene Team rein gar nichts aus: Besonderes Augenmerk legen die Restaurateure auf die Kraftstoffanlage und die marode Elektrik: „Bei einem so umfangreichen Projekt geht man das Risiko kaputter Leitungen nicht ein. Sonst nimmt man zum Schluss den halben Wagen wieder auseinander, weil das Bremslicht oder ein Schalter nicht funktionieren“, scherzt Klaus-Dieter Ulrich. Wie sich beim Austausch mit einem Typ 3 Liebhaber herausstellt, hat man bei den Stoßstangen sogar Glück. „Solche speziell angefertigten, verchromten Teile kann man fast mit Gold aufwiegen“, zitiert Ulrich den kundigen Enthusiasten. Nach Aufarbeitung und einer frischen Chromschicht erstrahlen die elegant geschwungenen Stoßstangen und Zierleisten an der Außenhaut des Typ 3 Cabriolet in neuem Glanz.

Wie frisch vom Band: Die mühevolle Wiederherstellung der originalen Teile zieht sich bis in kleinste Details des Innenraums fort.

Ein Typ für die Sonnenstunden des Lebens

Rund zweieinhalb Jahre nahm die vollständige Restauration des Volkswagen Typ 3 Cabriolet in Anspruch. Das fertige Ergebnis der liebevollen Detailarbeit allerdings ist mehr als eine Entschädigung – da ist sich das ganze Team einig. Ulrich lächelt und schwärmt: „Der Höhepunkt für uns war zweifelsohne der Moment, in dem das in der Originalfarbe ‚Golfblau‘ lackierte Cabriolet das erste Mal mit geöffnetem Verdeck vor uns stand. Diesem wunderschönen Wagen wieder Leben einzuhauchen – das ist einfach überwältigend.“ Nach seiner Fertigstellung soll der Wagen aber keineswegs geschont werden, sondern endlich wieder fahren. Das frisch restaurierte Typ 3 Cabriolet soll zwar in der Automobilsammlung Volkswagen Osnabrück verbleiben, aber Volkswagen Classic will es natürlich auch wieder auf die Straße bringen. Zunächst, da sind sich alle Beteiligten einig, muss der generalüberholte Motor aber penibel eingefahren werden.

Lupenrein: Die liebevolle Restauration sieht man dem Cabriolet-Prototyp auch bei näherer Betrachtung an.

Am Ergebnis dürfen sich auch andere Volkswagen Fans erfreuen: Der Typ 35 Prototyp wird als Mitglied der Volkswagen Classic Fahrzeugsammlung durchaus zu sehen sein – und sogar die ein oder andere Klassiker-Rallye bestreiten. „Die unersetzbaren Stoßstangen kommen dann allerdings vorübergehend ab und werden ersetzt – da gehen wir kein Risiko ein“, betont Ulrich schmunzelnd.

Neugierige konnten den sehenswerten Prototyp bereits bei seiner Premiere auf der Techno Classica in Essen bewundern.

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