Reisen auf eigener Achse – die erste Generation: Der T1


  • – die Camping-Box
  • T2 – Helsinki und Berlin
  • T3 – California, der erste eigene
  • T4 – California, eine ganze Produktreihe
  • T5 – California, der Pkw unter den Reisemobilen

Wir schreiben das Jahr 1951. Die Bundesrepublik Deutschland und die D-Mark sind drei Jahre alt. Arbeitslosigkeit, Kriegsgefangene und Wohnungsnot sind die Schlagzeilen der Zeit. Auf der politischen Bühne bewegt sich Konrad Adenauer unisono als Bundeskanzler und Außenminister. Sein erster offizieller Staatsbesuch: eine Reise nach Italien. Vorreiter einer Massenbewegung? Noch nicht! Einem Arbeiter von Volkswagen stehen zwei Wochen Urlaub zu. Er verbringt sie daheim, im eigenen Garten oder besucht vielleicht die erste IAA in Frankfurt.

Eine kleine Bar wird gegen Mehrpreis geliefert; unter der Haube aus Plexiglas haben zehn Cocktailbecher verschiedener Größe Platz.

Der VW Bus ist erst seit einem Jahr auf dem Markt. Sein Grundpreis. 5975 Mark. Es gibt ihn als Kastenwagen und Kombi. Und seit neuestem als Samba: So nennt der Volksmund den feinen kleinen Reise-Bus mit Rundum- und Dachrandverglasung sowie einem großen Schiebeverdeck. „25 Fenster und ein Schiebedach“, wirbt Volkswagen. Pro PS hat der Samba also 1 Fenster, trotzdem ist er „…so recht ein echter VW: draufgängerisch und temperamentvoll, was er sich mit seinem starken Motor bei verhältnismäßig geringem Eigengewicht auch leisten kann.“ Generell warten 4,5 Kubikmeter ummantelter Raum auf die Aufgaben des startenden Wirtschaftswunders – oder auf die Ideen eines findigen Kunden: Sechs Jahre nach Ende des Zweiten Weltkriegs ordert ein Deutscher eine Wohneinrichtung für seinen Volkswagen Transporter. Damit setzt er den Startschuss zu einer Fahrzeuggattung, die ausziehen wird, um zunächst Europa und später die ganze Welt zu entdecken.

Prospekt 1956: „Autowandern mit eigenem Hotel! Das ist heute kein unerfüllbarer Wunschtraum mehr, kein Luxus, den sich nur wenige leisten können.“

Nur ein Jahr nach seinem offiziellen Debüt im Frühjahr 1950 schlägt der neue Volkswagen also eine zweite, parallele Karriere ein, die sein Image bis heute prägt: Der Transporter als Drehpunkt für Freizeit und Reise – my home , my castle. Ein solch mobiler Stützpunkt ist also erstmals ein Transporter Kombi. Er ist sicherlich nicht das erste Reisemobil, aber womöglich der erste Campingbus. Der Stammvater von vielen hunderttausend Campingbussen von Volkswagen und Ideenträger für tausende von Selbstausbauten, die so manchen Ausrangierten ein Zweitleben spendieren. Doch so umfangreich ist die Einrichtung 1951 noch nicht. Der erste Kunde erhält von Westfalia eine so genannte Camping-Box, eine herausnehmbare Einrichtung. Sie besteht aus einer Sitzbank im Fond vor dem Heckmotor, einem Schrank mit Rollladenverschluss über dem Motor, einem Sideboard hinter dem Fahrerhaus mit Auszug, einem Fach für den Benzinkocher und viele Polster, die zusammen mit der Heckbank eine Liegewiese für die Übernachtung ergeben. Bis zu drei Erwachsene haben im Fond passabel Platz. Überdies kann man das Sideboard mitsamt Polstern herausnehmen und in Haus oder Wohnung als Gästebett nutzen.

1950 schlägt der Volkswagen Bus eine zweite, parallele Karriere ein, die sein Image bis heute prägt: der Transporter als Drehpunkt für Freizeit und Reise.

Doch der Erfolg lässt noch auf sich warten. Ottonormal fehlt es noch an Zeit und Geld. Die Fertigung beginnt zuerst in kleinen Stückzahlen. Überliefert ist die erste offizielle Preisliste der Camping-Box von 1953: Das Sideboard kostet 595 Mark, der Kleiderschrank kommt mit 125 Mark hinzu. Für den Wasch- und Rasierschrank mit Spiegel und Abstellplatz für eine Emailleschüssel innen an der Doppelflügeltür sind 62,50 Mark zu bezahlen. 1955 gesellt sich die Camping-Box „Export“ hinzu: Sie unterscheidet sich von der Standardvariante durch eine Dachklappe und eine Gepäckgalerie dahinter auf dem Dach. Wieder ein Schritt von der demontierbaren Wohneinrichtung zum Reisemobil. Insgesamt bleibt die Camping-Box unter steter Weiterentwicklung genau zehn Jahre im Programm. So kommt unter anderem im Sideboard ein Gaskocher mitsamt Gasflaschen zum Einsatz. Zudem wächst analog zur Reduzierung des Motorraums die Größe des Kleiderschranks.

1955 gesellt sich die Camping-Box Exporthinzu: Sie unterscheidet sich durch eine Dachklappe und eine Gepäckgalerie dahinter auf dem Dach.

1956 begeistert sich der Prospekt für den mobilen Urlaub: „Autowandern mit eigenem Hotel! Das ist heute kein unerfüllbarer Wunschtraum mehr, kein Luxus, den sich nur wenige leisten können.“ Die Extras passen zum Wirtschaftswunder: „Eine kleine Bar wird gegen Mehrpreis geliefert; unter der Haube aus Plexiglas haben zehn Cocktailbecher verschiedener Größe Platz. Die Prost-Vitrine steht rüttelfest auf einem gleichzeitig als Serviertisch dienenden Kombischrank.“ Nur ein Jahr später nimmt Volkswagen den “VW-Campingwagen”, wie er jetzt heißt, ins eigene Programm. Den Ausbau gibt es weiterhin von Westfalia. Intern tragen die Ausbauten „SO“-Nummern, das Kürzel für „Sonderfahrzeuge“ in der Volkswagen-Nomenklatur. Weitere zwei Jahre später feiert man das erste Jubiläum: 1000 Volkswagen Campingwagen. Wieder zwei Jahre danach beläuft sich die Tagesproduktion auf immerhin zehn Camper am Tag.

Der erste Kunde von Westfalia erhält eine so genannte Camping-Box, eine herausnehmbare Einrichtung.

Zehn Jahre nach Erfindung der Camping-Box hat sich die Einrichtung längst zum kompakten Reisemobil gemausert. Die Betriebsanleitung preist das Reisemobil von 1961 so an: „Im VW-Campingwagen ist all das verwirklicht, was Sie sich schon immer gewünscht haben, wenn Sie vom unabhängigen, ungebundenen Reisen träumten.“ Und so sieht das rollende Heim inzwischen innen aus: Längsbank auf der linken Seite gegenüber der Schiebetür; mit Hilfe einer nach vorn schwenkenden Lehne wird die Sitzbank des Fahrerhauses geschickt in die Sitzgruppe integriert. Rechts über dem Motor ein Kleiderschrank, links der Kühlschrank. Dazwischen hat ein so genannter Schiebesitz Platz, der nachts auch als Kinderbett dient. Ein weiterer Platz für den Nachwuchs ergibt sich durch eine Hängematte quer im Fahrerhaus. Unverändert ist in der Flügeltür Platz für den Waschschrank mit Rasierspiegel und Abstellfläche für die Schüssel. Die allerdings besteht inzwischen nicht mehr aus Emaile, sondern aus Plastik. Selbstausbauer greifen inzwischen zum so genannten „Mosaik“-Programm. Es enthält alle notwendigen Möbelteile, um einen gebrauchten Transporter in ein vollwertiges Reisemobil zu verwandeln und ist ein voller Erfolg.

Zehn Jahre nach Erfindung der Camping-Box hat sich die Einrichtung längst zum kompakten Reisemobil gemausert.

1962 gibt es alternativ zu Holz erstmals pflegeleichte Kunststoff-Oberflächen für die Möbel, Amerika lässt grüßen. Eine Klappsitzbank im Heck mit Bettverlängerung über dem Motor ist zu dieser Zeit bereits die Basis der Liegefläche. Der Boxer im Heck stört deshalb überhaupt nicht, im Gegenteil: Er ist Voraussetzung für die hervorragende Raumausnutzung des Transporter. Überzähliges Gepäck kommt auf den Dachträger. Die Einrichtung gleicht im Prinzip den heute üblichen Grundrissen. Es gibt bereits den Dachstaukasten über der Klappsitzbank, unterschiedliche Küchenanordnungen, die Kühlbox und einen Wassertank mit einer Handpumpe. Zudem gibt es ein sich seitlich öffnendes Aufstelldach in zeitgemäßer Optik mit roten und weißen Längsstreifen. Es vergrößert den Lebensraum ganz erheblich, bietet Platz für zwei zusätzliche Liegeflächen, die einer Hängematte verdächtig ähnlich sehen, die Maße belaufen sich auf jeweils 180 x 59 Zentimeter. Das Aufstelldach verfügt außerdem über zwei große Plexiglasfenster und zwei Lüftungsklappen.

Betriebsanleitung 1961: „Im VW-Campingwagen ist all das verwirklicht, was Sie sich schon immer gewünscht haben, wenn Sie vom unabhängigen, ungebundenen Reisen träumten.“

Mitte der sechziger Jahre kostet die Wohneinrichtung für den Volkswagen Transporter knapp 2000 Mark. Und: „Wenn Sie mit diesem VW-Campingwagen unterwegs sind, brauchen Sie auf nichts zu verzichten.“ Der Campingbus als Traum-Reisemobil der sechziger Jahre. Zugegeben: Mit Klappsitzbank, Küche mit Kocher und Isolierbox, mit Wasserkanistern und elektrischem Licht im Wohnraum ist alles an Bord, was Urlauber im Campingbus benötigen. Zur Dachklappe und dem seitlich öffnenden Aufstelldach gesellt sich 1965 das Hubdach, eine der simpelsten Möglichkeiten, mehr Platz im Campingbus zu schaffen und um Luft und Licht hineinzulassen. Und hereinregnen kann es auch nicht. Ab diesem Jahr muss auch keiner mehr von den Vordersitzen außen herum laufen um ins Wohnabteil zu gelangen: Jetzt gibt es auf Wunsch einen Durchgang zwischen den Vordersitzen nach hinten.

In den 60er-Jahren entwickelt sich die Klappsitzbank im Heck mit Bettverlängerung über dem Motor zur Basis der Liegefläche.

Die Amerikaner fliegen auf den Käfer, ihren Beetle, genauso fliegen sie auch auf den Campingbus von Volkswagen. Der kompakte Transporter steht nahezu konkurrenzlos da. Bis 1967 zum Fertigungsende des T1, der ersten Generation des Transporter, liefert Volkswagen mehr als 15 000 Campingbusse in die USA, mehr als tausend sind es allein 1967, im letzten Jahr der großen Karriere des ersten Volkswagen Transporter. Der VW-Campingwagen ist in dieser Zeit als Freizeitfahrzeug längst ein Renner: Aus den etwa zehn Campingbussen am Tag um 1960 hat sich inzwischen eine Serienfertigung von durchschnittlich 70 Fahrzeugen pro Tag entwickelt. Wie sehr vor allem die Amerikaner den Campingbus lieben, zeigt ein Beispiel: 1987 wandert ein 59er Bus ins Henry-Ford-Museum in Dearborn/USA. Die ganzen 28 Jahre war der Campingbus im Besitz einer einzigen Familie, wurde zwischendrin sogar vererbt.

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